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Als Autor eines Buches über die Evolutionsgenetik von Sex faszinieren mich Garnelen nicht nur geschmacklich. 


George Williams behauptete als Erster, 1975 in seiner Studie Sex and Evolution, daß die biologischen Sexualsysteme von Säugetieren und Vögeln extrem konservativ sind. Diese Auffassung stand im Widerspruch zu den seinerzeit vorherrschenden Theorien. 


„Wir sind alle im Sex gefangen", sagte John Maiyard-Smith einmal zu mir. Wir sprachen nicht über Garnelen, sondern über Menschen. Dabei spielte Maynard Smith natürlich auf das gerade entdeckte Phänomen des Genomic Imprint an. Mit Sex ist dabei gemeint, daß Individuen zwei verschiedene Keimzellen produzieren können. Einmal ein Ei, unbeweglich, stationär, schwanzlos, die Energiereserven speichernd, daher groß, vor allem sehr, sehr selten; zum anderen kleine, billige Spermien, die nur eines gut können müssen: schnell schwimmen. Daher der recht große Schwanz.


Wir sind alle im Sex gefangen, ja, leider oder glücklicherweise, und an dieser einfachen Tatsache verschlucken sich der hochkompetente Queer-Staatssekretär der Deutschen Regierung und diverse Ethik-Rat-Mitglieder desselben Landes.  



Freilich: Im Gegensatz zu Säugern und Vögeln existiert bei vielen Fisch- und Pflanzenlinien eine sexuelle Flexibilität. Esse ich Garnelen oder andere Krustentiere, denke ich daher immer zuerst an deren seltsame Sex-Features. Garnelen etwa sind Hermaphroditen, also Zwitter. Dabei handelt es sich um Individuen, die bei ihrer geschlechtlichen Fortpflanzung sowohl Spermien als auch Eizellen produzieren können. Freilich: Hermaphroditismus kann genetisch so strukturiert sein, daß ein Individuum im Laufe seines Lebens einen Geschlechtswechsel durchmacht. Und so gibt es bei Garnelen noch viel mehr zu entdecken. So weiß etwa der Ökologe J. Antonio Baeza, daß Caridea-Garnelen sechs verschiedene Sexualsysteme aufweisen.


Dabei handelt es sich, Originalton Baeza, um „Gonochorismus (getrennte Geschlechter), strikte Protandrie, partielle Protandrie mit primären Weibchen, partielle Teilprotandrie mit primären Männchen, Teilprotandrie mit primären Männchen und primären Weibchen und protandrischer gleichzeitiger Hermaphroditismus.“


Unter Protandrie, Biologen lassen sich häufig lustige Begriffe einfallen, wird eine Form des Hermaphroditismus verstanden, bei der ein Individuum zunächst männlich ist und später im Leben zu einem Weibchen wird. Natürlich existiert auch eine umgekehrte Entwicklung. Ein Grund, warum Garnelen mir so gut schmecken.


Daß das Geschlecht bei Garnelen variiert, hängt vom Alter und damit von der Größe ab. Im Gegensatz zu deutschen Staatssekretären wachsen Garnelen ebenso wie Fische ihr Leben lang. Die jungen Garnelen sind klein und Spermien produzierende Männchen. Bei einer bestimmten Größe switchen sie das Geschlecht, werden zu Weibchen und produzieren Eier.


Ich bin mir relativ sicher, daß auf der Fischplatte im Acqua Pazza, die übrigens an diesem Abend 90 Prozent der Gäste im bestellten, sehr viele Weibchen waren.  


Was das alles mit einem gehaltvollen Champagner wie dem Charles Heidsieck Brut Réserve? Sehr viel. Darüber ein anderes Mal.


Publiziert wurde der Beitrag Sexual Systems in Shrimps (Infraorder Caridea Dana, 1852), with Special Reference to the Historical Origin and Adaptive Value of Protandric Simultaneous Hermaphroditism von J. Antonio Baeza 2018 in Janet L. Leonard, Editor: Transitions Between Sexual Systems Understanding the Mechanisms of, and Pathways Between, Dioecy, Hermaphroditism and Other Sexual Systems.

Garnelen-Sex und  Protandrie 

mit

Charles Heidsieck Brut Réserve

im Acqua Pazza, Bologna


Charles Heidsieck Brut Réserve  im Acqua Pazza, Bologna
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